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Die Entstehung des Roten Kreuzes

Die Geschichte einer Idee

Dieser Kurzfilm rekapituliert den Werdegang der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung, deren Entwicklung vor über 150 Jahren ihren Anfang nahm, und die bis heute die mit Abstand größte Hilfsorganisation der Welt darstellt. Das DRK ist Teil dieser humanitären Bewegung und nimmt eine Fülle wichtiger nationaler und auch internationaler Aufgaben wahr.

Den Text des Videos erzählt Jan Hofer, Tagesschau-Sprecher und Botschafter des Deutschen Roten Kreuzes. 

1859: Die Geburt der Idee – aus Liebe zum Menschen

Henry Dunant erlebt die Folgen der grausamen Schlacht von Solferino und entdeckt seine neue Mission: den Krieg menschlicher zu machen.

Henry Dunant, ein 31jähriger Geschäftsmann aus Genf, will in Algerien Mühlen bauen. Da ihm aber die Behörden der damaligen französischen Kolonie das Geschäft erschweren, macht er Schulden und steht schließlich kurz vor dem Bankrott. Hilfe erhofft er sich vom Kaiser höchstpersönlich. Napoleon III. befindet sich aber gerade auf einem Feldzug. Er unterstützt in der Lombardei die Italiener im Krieg gegen die Habsburger. Dunant reist ihm hinterher und erreicht am 25. Juni 1859 Castiglione, eine kleine Stadt südlich des Gardasees. Er besichtigt das Schlachtfeld von Solferino und ist zutiefst erschüttert. Bei dem grausamen Gefecht sind 40.000 Menschen niedergemetzelt und verstümmelt worden. Ihre toten Körper liegen jetzt auf Wegen und in Gräben. Verletzte Soldaten "mit offenen Wunden und einsetzendem Wundbrand, sind wie von Sinnen vor Schmerzen, sie bitten flehentlich, dass man sie tötet, und winden sich mit verzerrtem Gesicht im Todeskampf", schreibt Dunant später über die Sterbeszenen, die sich tief in sein Gedächtnis einbrennen. Er eilt den Verwundeten ohne Ausrüstung zu Hilfe; einheimische Helfer bringen sie mit Karren und Wagen in die umliegenden Klöster und Kirchen. Während er unermüdlich versucht, das Leid der Verletzten zu lindern, entdeckt Dunant seine neue Mission: Er möchte das Los der verwundeten Soldaten verbessern und den Krieg menschlicher machen. 

1960: Gründung der ersten Schwesternschaft

Großherzogin Luise wirkt in Karlsruhe als Vorreiterin des Roten Kreuzes. Die Ausbildung zur Krankenpflegerin bietet Frauen eine frühe berufliche Perspektive.

Aus dem "Badischen Frauenverein" heraus, der im Jahr zuvor als direkte Reaktion auf den Krieg in Italien ins Leben gerufen worden ist, entsteht die erste Schwesternschaft des späteren Roten Kreuzes. Initiiert von Großherzogin Luise, dient sie der Ausbildung und dem Einsatz von Krankenpflegerinnen in Kriegs- und Friedenszeiten.

1962: Ein Buch schreibt Geschichte

Henry Dunant hat die Grauen des Krieges erlebt. Er kann die Bilder der sterbenden Soldaten nicht mehr vergessen. In seinem 1862 veröffentlichten Buch "Eine Erinnerung an Solferino" beschreibt er, wie solche Katastrophen in Zukunft zumindest gemildert werden können.

Die tiefgreifenden und traumatischen Erlebnisse, die Henry Dunant auf dem italienischen Kriegsschauplatz widerfahren sind, lassen ihm keine Ruhe. Schließlich bringt er seine Erinnerung an Solferino zu Papier. Das Buch rekapituliert die Geschehnisse der Schlacht  und schildert eindringlich seine Erfahrungen als Ersthelfer. Abschließend entwirft er den Plan zur Gründung eines "internationalen Hilfswerks" für Verwundete in Kriegszeiten, das von Europas Regierungen ermöglicht und von freiwilligen Helfern getragen werden soll mit dem Ziel, "im Sinne wahrer Menschlichkeit und Zivilisation die Schrecken des Krieges etwas zu mildern". 

Dunant lässt das Buch auf eigene Kosten drucken und verschickt es an Freunde, wohltätige Organisationen und zahlreiche ausländische Militärs und Regierungen. Es wird zu einem sensationellen Erfolg und trägt maßgeblich zur Entstehung und Verbreitung des Roten Kreuzes bei. 

1963: Die bekannteste Marke der Welt wird geboren

Das Fünferkomitee: Gustave Moynier, Dr. Theodore Maunoir, Henry Dunant, General Guillaume Dufour und Dr. Louis Appia

Auf einer Konferenz in Genf entsteht das Schutzzeichen des Roten Kreuzes.

Henry Dunant hat auf dem Schlachtfeld von Solferino grausame Sterbeszenen erlebt, die sich tief in sein Gedächtnis gebrannt haben. Fortan kämpft er für einen menschlicheren Krieg und neutrale Hilfsgesellschaften, die die Not der Soldaten lindern sollen.

Fünf Genfer Honoratioren gründen daraufhin das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK): der Jurist Gustave Moynier, der General Guillaume-Henri Dufour, die beiden Ärzte Louis Appia und Théodore Maunoir, und dazu Henry Dunant, dessen Buch Erinnerung an Solferino eine rege Diskussion über die Verbesserung des Loses verwundeter Soldaten in Gang gebracht hat. Auf einer Konferenz in Genf treffen sich Ende Oktober 1863 Delegierte aus 16 Nationen, um seine Ideen zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Dabei steht auch das Schutzzeichen der neuen Hilfsgesellschaften zur Debatte. Die Abgeordneten einigen sich darauf, dass Ärzte und Sanitäter eine weiße Armbinde als Erkennungszeichen tragen sollen. Aus Achtung vor der Schweizer Nationalfahne soll diese mit einem roten Kreuz versehen werden. Die berühmteste Marke der Welt ist geboren!

1863: Württemberg macht den Anfang

In Stuttgart wird die weltweit erste Rotkreuz-Gesellschaft ins Leben gerufen.

Zwei schwäbische Pastoren heben die erste Nationale Rotkreuz-Gesellschaft aus der Taufe: Ernst Rudolf Wagner und Christoph Ulrich Hahn. Beide stehen mit Henry Dunant in enger Verbindung. Sie verschaffen ihm ein Entree bei Hofe, als er 1863 durch Mitteleuropa reist, um für die Idee eines internationalen Hilfswerks für verwundete Soldaten zu werben. König Wilhelm von Württemberg sagt ihm seine Unterstützung zu, und auch Prinz Karl, der Thronfolger, erklärt, dass er "ein  besonderes Interesse an der Entwicklung dieser philanthropischen Idee" gefasst habe. Wenig später nimmt Hahn als Württembergischer Delegierter an der Gründungskonferenz des Roten Kreuzes in Genf teil.

Zurück in Stuttgart, leitet er dann die Gründung des Württembergischen Sanitätsvereins in die Wege. Am 12. November 1863 wird er als weltweit erste Nationale Rotkreuz-Gesellschaft ins Vereinsregister eingetragen. Andere deutsche Staaten folgen bald dem Beispiel der fixen Schwaben. Eine Bewegung nimmt Formen an.

1864: Die Geburtsstunde des humanitären Völkerrechts

1864 unterzeichnen auf einer offiziellen Konferenz der Schweizer Regierung zwölf Nationen die erste "Konvention zur Verbesserung des Loses der im Felddienst verwundeten Militärpersonen". Das Abkommen wird 1949 überarbeitet und 1977 nochmals erweitert. Zusammen mit der Haager Landkriegsordnung bildet es bis heute den Eckpfeiler des humanitären Völkerrechts. Mittlerweile haben 194 Staaten die Genfer Abkommen ratifiziert.

Dieser Vertrag regelt die Aufnahme und die Pflege von verwundeten Soldaten im Krieg. Diese so genannte erste Genfer Konvention ist die erste aller Genfer Konventionen und die Gründungsurkunde aller nationalen RK-Organisationen.

1866: Krieg und Frieden

Verwundete aus dem Deutsch-Österreichischen Krieg werden in Berlin versorgt.

Im Deutsch-Österreichischen Krieg bewährt sich das Rote Kreuz an vielen Fronten. Parallel entsteht der "Vaterländische Frauenverein".

Der Streit um die Führungsrolle im Deutschen Bund eskaliert zu einem folgenschweren Krieg. Die Fronten verlaufen quer durch Mitteleuropa: Preußen steht gegen Österreich, Bremen gegen Frankfurt, Braunschweig gegen Baden. Viele der beteiligten Staaten sind der Genfer Konvention bereits beigetreten, Österreich, Bayern und Sachsen jedoch nicht.

Preußen verkündet, dass es das Genfer Abkommen ungeachtet des gegnerischen Desinteresses einhalten wird. Im ganzen Land vollzieht sich eine beispiellose moralische Mobilisierung. Sie erfasst alle Schichten und Regionen und trägt erheblich zur Popularisierung des Rotkreuzgedankens bei. Geld- und Sachspenden fließen in ungeahnten Mengen, Helfer stellen sich zu tausenden zur Verfügung; viele Privathaushalte nehmen verwundete Soldaten in Pflege.

Politisch macht das preußische Beispiel Schule. Auch die bisherigen Skeptiker schließen sich teilweise noch während des Krieges der Bewegung an: Sachsen gründet eine eigene Rotkreuzgesellschaft, Bayern und Österreich treten der Konvention bei.

Auf Initiative von Königin Augusta wird in Preußen schließlich der Vaterländische Frauenverein gegründet. Unter dem Dach des Roten Kreuzes soll er "durch augenblickliche Hilfsleistung bei Landeskalamitäten wie Krieg, Feuersbrünste, Überschwemmungen und Seuchen die Not erleichtern". Andere deutsche Staaten rufen ähnliche Vereine ins Leben. Diese Doppelfunktion für die humanitäre Hilfe im Kriege wie für die Wohltätigkeit im Frieden wird den weiteren Weg des Roten Kreuzes in Deutschland bestimmen.

1869: Gemeinsam für eine große Sache

Nachdem zwei Jahre zuvor die erste internationale Rotkreuzkonferenz in Paris stattgefunden hat, steht die zweite große Zusammenkunft nun in Berlin an. Damit wird der Bedeutung der deutschen Staaten und insbesondere Preußens für die Entwicklung des Roten Kreuzes Rechnung getragen. Ein Hauptthema ist dabei die Gewichtung von militärischen und zivilen Aufgaben. Während Pastor Christoph Ulrich Hahn anfangs noch meinte, dass die Hilfsvereine "während des Friedens wohl keine bestimmte Tätigkeit hätten", fordert etwa Rudolf Virchow, der berühmte Pathologe und engagierte Liberale, "den vollen Einsatz für ein Friedensprogramm auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheitspflege, unabhängig von der Bereitschaft für den Kriegsfall".

Ob nun für Kriegs- oder Friedenszeiten, an einer Professionalisierung der Pflege kann jedem Land nur gelegen sein. So gründet die sorbische Krankenschwester Marie Simon den sächsischen Albert-Verein, im Großherzogtum Hessen entsteht der Alice-Frauenverein. Ähnlich dem Badischen Frauenverein sollen sie sich der Ausbildung von Krankenpflegerinnen und der Armenfürsorge widmen.

Auf der Berliner Konferenz schließen sich die deutschen Hilfsvereine zu einem Dachverband zusammen, dem "Zentralkomitee der deutschen Vereine zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger". Die Federführung wird dem mit Abstand größten Verein zugesprochen, dem preußischen. Dieses Zentralkomitee ist der Vorgänger des Deutschen Roten Kreuzes und nimmt die Vereinigung des Deutschen Reiches vorweg.